Pressemitteilung Nr. 196/10, 12.07.2010

Stellungnahme zur geplanten Polizeistrukturreform im Land Brandenburg

Auf der Grundlage sich verändernder Rahmenbedingungen beabsichtigt die Landesregierung eine umfassende Reform der Polizeistruktur im Land Brandenburg.
 
Grundlage dieser geplanten Strukturreform bildet der Bericht der Kommission „Polizei Brandenburg 2020“. Danach ist u. a. vorgesehen, dass:
  • die Zahl der Polizisten von derzeit 8.900 auf ca. 7.000 im Jahr 2020 verringert werden soll,
  • die bestehenden 2 Polizeipräsidien Potsdam und Frankfurt/Oder, das Landeskriminalamt und die Landeseinsatzeinheit zu einem Landespolizeipräsidium zusammengeführt werden,
  • die derzeit 15 Schutzbereiche zu 4 Direktionen zusammengefasst werden (Direktion III: Landkreise Dahme-Spreewald, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Stadt Cottbus),
  • in jedem der heutigen 15 Schutzbereiche eine Polizeiwache beizubehalten, um bestehende kommunale Bezüge aufrecht zu erhalten und eine grundsätzliche räumliche Verteilung in der Fläche zu gewährleisten.
 
Weiterhin sollen in der Fläche dezentrale, nicht durchgehend besetzte Posten als Anlaufstelle für den Streifendienst sowie als Revierposten, sofern dieser nicht bei der Kommune eingerichtet ist, vorgehalten werden.
 
Der Schwerpunkt der Bürgerkontakte soll über den örtlichen Revierdienst und den Streifendienst im jeweiligen Streifenbereich gewährleistet werden.
 
 
Wie wird sich die geplante Polizeistrukturreform auf die Sicherheit im Landkreis Spree-Neiße auswirken?
 
Kriminalitätsschwerpunkte im Landkreis Spree-Neiße und der Stadt Cottbus – 2009
 
Im Schutzbereich Cottbus/Spree-Neiße wurden im Jahr 2009 19.644 Straftaten erfasst. Die Kriminalitätsbelastung liegt mit 8.452 Straftaten je 100.000 Einwohner deutlich über dem Wert des Bundes.
Straftaten in ausgewählten              Deliktsbereichen
2009
Aufklärungsquote
Diebstähle gesamt
8.621
34,8 %
Rauschgiftkriminalität
344
97,1 %
Gewaltkriminalität
557
77,4 %
Kriminalität ums Kfz
2.187
29,9 %
Straßenkriminalität
4.710
23,4 %
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Mit der Umsetzung der Polizeistrukturreform in diesem Umfang wird es künftig keine Zusammenarbeit zwischen Polizei und örtlicher Ordnungsbehörde auf kurzem Wege mehr geben können.
 
Eine Lastenumverteilung von oben nach unten (Kernpunkt der Aufgabenkritik hin zu einer höheren Eigenverantwortung der Bürger und zur vollständigen originären Aufgabenwahrnehmung durch die örtlichen Ordnungsbehörden) schont vermutlich den Landeshaushalt auf der einen Seite, führt aber zu einer deutlichen Mehrbelastung der Kommunen. Auf derartige Belastungen sind die Kommunen nicht vorbereitet. Die Grenze des Zumutbaren ist jetzt schon erreicht. Die Auswirkungen werden die Bürger in den Kommunen deutlich zu spüren bekommen.
 
Eine kurzfristige Umsetzung der Pläne der Landesregierung stellt die Kommunen vor vollendete Tatsachen, ohne dass Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in die Arbeit der Expertenkommission mit einbezogen wurden. Eine Betrachtung der Auswirkungen der Reform für die Kommunen gemeinsam mit den Interessenvertretern der Kommunen erfolgte nicht. Die örtlichen Ordnungsbehörden sind derzeit weder qualitativ noch quantitativ in der Lage, alle sich aus der originären Zuständigkeit ergebenden Aufgaben vollumfänglich, ohne die bisher gewohnte polizeiliche Unterstützung, zu erfüllen.
 
Es ist zu befürchten, dass deutliche Defizite bei der Unterstützung zur Umsetzung ordnungsbehördlicher Maßnahmen (Durchsetzung Nachtruhe, Hundehalter-verordnung usw.) entstehen werden. Dadurch bedingt lassen sich zukünftig erforderliche Maßnahmen nicht mehr in der gebotenen Eile umsetzen. Ohne die erforderliche polizeiliche Unterstützung kann bei der Umsetzung bestimmter ordnungsbehördlicher Maßnahmen die Sicherheit der Mitarbeiter in den Ordnungsbehörden nicht mehr gewährleistet werden. Bei vielen ordnungsbehördlich problematischen Einsätzen bedarf es regelmäßig der schnellen Unterstützung durch die Polizei. Durch die zu erwartende Strukturänderung wird diese Unterstützung durch die Polizei flächendeckend nicht mehr gewährleistet werden können.
 
Die Kommunen verfügen derzeit, bis auf wenige Ausnahmen, nicht über ausgebildete Vollzugsbedienstete. Das heißt, die Kommunen sind noch gar nicht in der Lage, alle sich aus der originären Zuständigkeit ergebenden Aufgaben ohne Unterstützung der Polizei zu erledigen. Darüber hinaus steht den Kommunen nicht der erforderliche finanzielle Rahmen zur Erfüllung aller obliegenden Aufgaben zur Verfügung, die bisher von der Polizei im Rahmen von § 2 Brandenburgisches Polizeigesetz wahrgenommen wurden.
 
Falls es zu den Schließungen der Wachen in Guben, Forst (Lausitz) und Spremberg kommt, wird dies erhebliche Auswirkungen auf die bisher sich bewährte gegenseitige Abstimmung vor Ort haben, da kein Leitungspersonal mehr vorhanden sein wird.
 
Mit der Reduzierung der Polizeikräfte insgesamt wird es Probleme bei der Bewältigung unvorhergesehener Sachlagen geben (z. B. Skinhead-Konzerte werden nicht 14 Tage vorher im Internet angekündigt) und somit die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gefährdet. So können größere Veranstaltungen, wie Stadtfeste, nicht mehr mit der notwendigen Präsenz der Polizei abgesichert werden (Polizeipräsenz mindert Straftaten).
 
Die geplante Reduzierung der Polizeikräfte wird sich zunehmend auch negativ auf die Kriminalitätsbekämpfung im grenznahen Raum auswirken (hier insbesondere Lauben- und Garageneinbrüche, Kfz- und Fahrraddiebstähle).
 
Es ist davon auszugehen, dass das Sicherheitsbedürfnis der Bürger wegen fehlender Polizeipräsenz gefährdet ist. Vollzugsmaßnahmen der Ordnungsbehörden in Konfliktsituationen konnten bisher nur durch die Anwesenheit der Polizei ohne größere Vorkommnisse durchgesetzt werden.
 
Insgesamt bleibt einzuschätzen, dass die über Jahre gewachsene enge Zusammenarbeit zwischen der Polizei Vor-Ort und den örtlichen Ordnungsbehörden unter den Folgen der Polizeistrukturreform nicht mehr gewährleistet sein wird, und somit die auf beiden Seiten vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten nicht mehr effektiv genutzt werden können. Darüber hinaus ist eine Verschlechterung des Standortfaktors „Sicherheit“ für potenzielle Investoren zu befürchten. Langfristig aufgebaute Kontakte und Netzwerke mit anderen lokalen Akteuren werden wirkungslos.
 
So notwendig eine Polizeistrukturreform auch sein mag, so gilt es doch, die Ängste der Bürger, insbesondere im Grenzbereich, ernst zu nehmen und ein entsprechendes Sicherheitsempfinden im Zusammenwirken zwischen den örtlichen Ordnungsbehörden in den Kommunen und der Polizei zu vermitteln.
 
gez. Altekrüger                          
Landrat
Landkreis Spree-Neiße 
 
gez. Dr. Schulze    
Stadt Spremberg
Bürgermeister
 
gez. Dr. Goldschmidt    
Bürgermeister
Stadt Forst (L.) 
 
gez. Hübner 
Bürgermeister 
Stadt Guben
 
 
 


Pressestelle Landkreis Spree-Neiße
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